Swapfiets-Gründer Richard auf seiner Fahrt zu lebenswerteren Städten
Wir bei Swapfiets glauben, dass Fahrräder der Schlüssel zu einer lebenswerteren Stadt sind. Das Thema „lebenswerte Städte“ ist sozusagen das Herzstück unseres Handelns. Anführer der Bewegung ist Swapfiets Gründer und Nachhaltigkeitsdirektor Richard Burger. Wir haben ihn gefragt, was eine lebenswerte Stadt für ihn bedeutet und wie Swapfiets dazu beiträgt.
Das wichtigste zuerst. Kannst du erklären, was der Begriff „lebenswerte Städte“ für dich bedeutet?
Lebenswerte Städte ist ein weit gefasster Begriff. Dazu gehören gute Krankenhäuser und Bildung, aber unser Fokus liegt auf nachhaltiger Mobilität. Radfahren ist für viele Städte die Lösung, um lebenswerter zu werden. Bedenke dabei folgendes: gesündere Luft, eine sicherere Umgebung, bessere persönliche Fitness und mehr sozialer Verkehr, weil die Menschen mehr miteinander in Kontakt treten. Fahrradfahren bietet mehr Raum für andere Dinge. Außerdem macht unser Konzept das Radfahren auch für die Menschen einfacher, die es schon seit langem tun. Für Menschen, die noch nicht Fahrrad fahren, bieten wir eine zugängliche und großartige Möglichkeit, einen Einstieg zu finden. Du musst dich nicht lange mit der Technik oder den Kosten eines Fahrrads beschäftigen, sondern wählst einfach das für dich passende Swapfiets aus und kannst direkt loslegen. Das macht uns für Städte in Sachen Mobilität sehr relevant.
Der zweite Aspekt lebenswerter Städte ist, dass ein Fahrrad ja zuerst noch produziert werden muss. Darüber hinaus muss es gewartet und instand gehalten werden und am Ende seines Lebenszyklus müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. In vielen großen Fahrradstädten sieht man, dass Fahrräder einfach zurückgelassen werden, dass sie kaputt oder nicht sicher sind und viele Ersatzteile benötigt werden. Mittels eines zirkulären Modells versuchen wir, diese Prozesse zu zentralisieren. Du zahlst also lediglich für die Nutzung des Fahrrads. Wenn du es nicht mehr verwendest, gibst du es zurück. Wenn es repariert werden muss, reparieren wir es für dich. Wir nehmen das Material immer wieder zurück, damit wir etwas Cleveres daraus machen können. Radfahren ist für mich der beste Weg, eine lebenswertere Stadt zu schaffen. Der intelligente Einsatz von Materialien sorgt dafür, dass wir weniger Abfall produzieren und weniger Rohstoffe verbrauchen. Für mich führen diese beiden Dinge zu einer lebenswerteren Stadt.
Wie kam es zu dieser Mission?
Man beginnt hier nicht mit der Mission, aber natürlich wird sie auch nicht erst nachträglich konzipiert. Wir haben einfach ein Phänomen erkannt. Die Niederlande sind Fahrradland Nummer eins, aber viele Menschen halten es für lästig, ein Fahrrad zu besitzen. Du musst in die Fahrradwerkstatt und wenn du das Fahrrad selbst reparierst, brauchst du zunächst das Wissen und bestimmte Teile. Und dann stellst du fest, dass das Licht wieder nicht funktioniert oder dass die Bremsen kaputt sind. Wie kann ein Fahrrad, das so schön ist, so lästig sein? Wie können wir das ändern? So sind wir auf „Fahrrad als Service“ gekommen. Allmählich haben wir gelernt, dass dies ein kreisläufiges Modell ist. Dies bietet Vorteile für unsere Mitglieder und den Planeten. Außerdem funktioniert unser Konzept nur in Städten. So entstand die Idee lebenswerter Städte. Es geht um mehr als nur um das Vermieten von Fahrrädern. Es geht auch darum, wie wir unsere Geschäfte gestalten, welche Art von Strom wir verwenden, welche Veränderungen wir in der Branche anstreben und welche Initiativen wir mit lokalen Parteien ins Leben rufen. Dazu sind wir auch ein wichtiger Arbeitgeber. Bei lebenswerten Städten geht es um viel mehr als nur Fahrräder.
Eine provokative Frage: Ist das nachhaltiger als der Kauf eines Fahrrads, das ein Leben lang hält?
Kurzfristig hat die längere Nutzung bestehender Produkte oft die positivsten Auswirkungen in Bezug auf Nachhaltigkeit. Dies hängt jedoch von einer Reihe von Annahmen ab. Die Frage ist, ob man wirklich nur einmal im Jahr zur Fahrradwerkstatt muss, wenn man sich jetzt ein Fahrrad kauft. Das ist bei jedem anders. Wir wissen, dass ein im Laden gekauftes Fahrrad dreimal schneller kaputtgeht als ein Swapfiets. Das liegt daran, dass wir einen Blick darauf haben, was kaputtgeht, um es dann zu verbessern. Ein weiterer Punkt ist, dass die Fahrradnutzung weiter zunimmt. Zwischen 2020 und 2050 wird die Zahl der Radfahrer*innen astronomisch wachsen. Wenn mehr Fahrräder produziert werden, sollte dies auf kreislaufwirtschaftliche und auf nachhaltige Weise geschehen. So können Auswirkungen minimiert werden. Die Fahrräder, die wir entwickeln, sind nicht für den Verkauf bestimmt. Beim Verkauf geht es um schöne Fahrräder, trendige Farben und die neueste Technologie. Wir wollen ein Fahrrad bauen, das zeitlos ist, gut fährt und lange hält. Zudem ändern sich Bedürfnisse im Laufe der Zeit. Als Student*in beginnt man vielleicht mit einem Original-Fahrrad. Wenn man nach drei Jahren in der Stadt arbeitet und ein E-Bike sinnvoller ist, kann das Original zurückgeben werden, damit sich ein*e andere* Nutzer*in kein neues Fahrrad kaufen muss. Langfristig gibt es also viele Menschen, die sich aufgrund dieses Kreislaufsystems kein neues Fahrrad kaufen müssen. Wir verkaufen immer ein funktionierendes Fahrrad, aber es ist nicht immer ein neues Fahrrad. Das Fahrrad könnte einen Kratzer haben. Darauf sind wir stolz.
Halten Tauschräder länger, weil die Leute wissen, dass sie sie eines Tages zurückgeben werden?
Wir hören verschiedene Geschichten darüber. Auf der einen Seite gehen einige Leute sorgsam mit ihnen, auf der anderen sagen einige: ich muss nicht darauf achten, weil es gemietet ist.Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Im Großen und Ganzen sehen wir, dass es sehr gut läuft und ein Swapfiets durchschnittlich ein bis anderthalbmal im Jahr repariert werden muss. Das liegt daran, dass wir unsere Fahrräder im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben. Komischerweise führt dies manchmal zu Missverständnissen. Einige Mitglieder denken: Mein Fahrrad geht nie kaputt, wofür bezahle ich also? Manchmal hören wir Mitglieder sagen, dass sie unseren Service kaum nutzen. Das ist die Absicht. Wir wollen das bequemste Fahrrad bauen, das nie kaputtgeht.
Das Thema lebenswerte Städte berührt natürlich alle Länder, in denen Swapfiets tätig ist. Wie reagieren Länder mit einer anderen Fahrradkultur als die Niederlande auf diese Geschichte?
Der Radwegebau ist nicht unser Geschäft. Dieses Fahrradnetz muss vorhanden sein oder sehr schnell wachsen. Wir haben deshalb nach London und Paris expandiert, weil die lokalen Behörden daran arbeiten, ihre Infrastruktur zu optimieren. Sie brauchen uns, um diese Radwege zu füllen. So entsteht eine Art gemeinsames Wachstum hin zu einer lebenswerteren Stadt. Aber auch in einer Fahrradstadt wie Amsterdam machen wir definitiv einen Unterschied. Wir sehen jetzt zum Beispiel, dass wir viele vermisste Fahrräder zurückholen und weniger Fahrräder auf den Straßen finden. In neuen Städten ist das Swapfiets für einen relativ hohen Prozentsatz der Menschen das erste Fahrrad überhaupt. Die größte Verschiebung gibt es bei E-Bikes. Wir sehen E-Bike-Kund*innen, die ihr Auto zu Hause lassen, um die gleiche Strecke mit einem E-Bike zu fahren. Offensichtlich hat dies einen großen Einfluss auf lebenswerte Städte.
Was ist die wichtigste Lektion, die du bisher als Nachhaltigkeitsdirektor gelernt hast?
Die größte Lektion ist, dass man es nicht alleine schaffen kann. Das ist kein Job für den Einzelnen. Als ich in dieser Rolle anfing, gab es einige schnelle Erfolge, aber wenn man wirklich nachhaltig sein will, muss das Teil der Unternehmenskultur sein. Es muss in allem, was du tust, bedacht werden. Wenn wir ein kreislauffähiges Fahrrad herstellen, nützt es nichts, wenn die Teile in nicht wiederverwertbaren Verpackungen geliefert werden. Diese Teile werden per LKW in die Niederlande zurückgebracht. Das alles muss bedacht werden. Die größten Probleme, bei denen wir die größte Wirkung erzielen können, brauchen am längsten, um gelöst zu werden. Die Quick-Wins werden erreicht, indem man viele Gespräche führt und nachfragt, wo man etwas anders machen kann. Das Beispiel Verpackung ist für alle außer der Verpackungsindustrie eine Win-Win-Win-Situation. Aber natürlich interessiert mich die Verpackungsindustrie überhaupt nicht.
Innerhalb von Swapfiets bist du der Sprecher für Nachhaltigkeit. Ist das eine schwierige Rolle?
Ich liebe es, diese Geschichte zu erzählen, und ich unterstütze sie zu 100 %. Es ist keine Überzeugung, sondern eine Tatsache, dass nachhaltiges Wirtschaften der beste Weg für Menschen, den Planeten und den Geschäftserfolg ist. Um ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, müssen Überlegungen zu Gewinn und Geschwindigkeit angestellt werden. Was wir tun, macht einfach Sinn. Wir haben eindeutige Beweise dafür, warum ein kreisläufiges Fahrrad besser für die Stadt ist. Man kann auch argumentieren, dass Elektroautos besser für den Planeten sind, aber das ist eine komplexere Angelegenheit. Ich ziehe es vor, ehrlich darüber zu sein, wo wir jetzt stehen, und ehrgeizig in die Zukunft zu blicken.
Über Swapfiets
Swapfiets ist das weltweit erste "Bicycle-as-a-Service"-Unternehmen mit einem zirkulären Geschäftsmodell. Das 2014 in den Niederlanden gegründete Scale-up hat sich schnell zu einem der führenden Anbieter von Mikromobilität in Europa entwickelt und hat mittlerweile über mehr als 270.000 Mitglieder in den Niederlanden, Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Swapfiets will die Lebensqualität in europäischen Städten erhöhen, zudem strebt das Unternehmen eine zu 100% zirkuläre Produktlinie an sowie bis 2025 einen klimaneutralen Geschäftsbetrieb. Im Oktober 2022 ist Swapfiets offiziell der B Corp Gemeinschaft beigetreten, um seiner Mission mehr Nachdruck zu verleihen.
Das Konzept von Swapfiets ist einfach: gegen eine feste monatliche Gebühr steht Swapfiets-Mitgliedern immer ein funktionierendes Fahrrad zur Verfügung. Sollten unerwartet Probleme auftreten, wird das Fahrrad innerhalb von 10 Minuten in der Werkstatt repariert oder sofort und ohne zusätzliche Kosten ersetzt.